Awendungsgerechte Lebensdauerabschätzung für mehrachsig nichtproportional beanspruchte Bauteile auf Basis des Örtlichen Konzepts

(Mehrachsigkeit Örtlich, IGF-Nr.: 20613 N)

Laufzeit: 01.03.2019 bis 31.05.2022

Forschungseinrichtungen:

  1. Institut für Maschinelle Anlagentechnik und Betriebsfestigkeit, TU Clausthal
  2. Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik, TU Darmstadt

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde ein umfangreiches Versuchsprogramm am Baustahl S355 und dem Eisenguss mit Kugelgraphit EN-GJS-500-14 durchgeführt. Zur Charakterisierung der Werkstoffe wurden statische und zyklische Werkstoffkennwerte bestimmt. Darüber hinaus wurden auch Werkstoffeigenschaften unter nichtproportionaler Belastung untersucht. Es wurden Kennwerte zur Beschreibung des nichtproportionalen Verfestigungsvermögens der Werkstoffe ermittelt. Weiterhin wurde ein umfangreiches Versuchsprogramm an gekerbten bzw. bauteilähnlichen Proben durchgeführt. Für jeden Werkstoff werden zwei unterschiedlich stark gekerbte Proben untersucht, wobei der Kerbradius geändert wird (r = 2 mm und r = 0,5 mm). Beginnend mit einachsigen, einstufigen Versuchen steigt die Komplexität der Versuche an bauteilähnlichen Proben über Hinzunahme von weiteren Lastkanälen, einer Phasenverschiebung der Lastkanäle, Überlagerung von Mittellasten bis hin zur variablen bzw. unkorrelierten Beanspruchung. Versuche am Baustahl S355 fanden unter kombinierter Zug/Druck – Torsionsbeanspruchung statt. Die Versuche am Eisenguss mit Kugelgraphit EN-GJS-500-14 wurden unter kombinierter Biegung und Torsion durchgeführt. Damit die Anrissschwingspielzahl möglichst genau detektiert werden konnte, wurde ein Kamerasystem entwickelt.

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden zwei Verfahren erarbeitet, mit denen der Ermüdungsfestigkeitsnachweis der FKM-Richtlinie Nichtlinear zur Erfassung mehrachsig nichtproportionaler Beanspruchungen erweitert werden kann.

Bei einem Algorithmus wurde eine hohe Kompatibilität zur bestehenden FKM-Richtlinie Nichtlinear bei der Einführung der nötigen Modifikationen gewahrt. Die Umsetzung erfolgt mittels Bildung einer Vergleichsspannung, der skalierten Normalspannung und einer Korrektur der Schädigungsparameterwöhlerlinie für nichtproportionale Beanspruchungen. Diese wird in Schnittebenen am Nachweispunkt gebildet. Zum Ermitteln der Anrissschwingspielzahl werden verschiedene Schnittebenen untersucht. Dieser Algorithmus wird weiter mit der aus der FKM-Richtlinie Nichtlinear bekannten Schädigungsparameter PRAM verwendet.

Der andere Algorithmus bedient sich mehrachsiger Werkstoffmodelle und mehrachsiger Kerbdehnungssimulationen, um das nichtlineare Werkstoffverhalten möglichst realitätsnah darzustellen. In Verbindung mit diesem Algorithmus wurde ebenfalls das Verfahren der kritischen Schnittebene verwendet. Verschiedene Schädigungsparameter wurden hinsichtlich der Treffsicherheit gegenübergestellt. Es wurde der aus der FKM-Richtlinie Nichtlinear bekannte PRAM-Parameter untersucht. Ebenfalls wurden der in der Literatur häufig verwendete Fatemi-Socie-Parameter sowie ein auf nichtproportionale Lasten erweiteter Parameter auf Basis der Bruchmechanik kurzer Risse, ähnlich dem PRAJ-Parameter, verwendet. Für die hier neu verwendeten Schädigungsparameter wurden Methoden vorgestellt, wie Materialparameter und Schädigungsparameterwöhlerlininen aus statischen Werkstoffkennwerten und der Werkstoffgruppe abgeschätzt werden können.

Beide Berechnungsalgorithmen wurden in Matlab implementiert und stehen als anwendungsbereite Berechnungstools zur Verfügung. Eine unmittelbare Bauteilauslegung wird dadurch ermöglicht. Zur Validierung der erarbeiteten Algorithmen wurde eine umfangreiche Datenbank an Versuchsergebnissen aus der Literautur gesammelt. Alle enthaltenen Geometrien der Probekörper wurden nachmodelliert und die für die Algorithmen notwendigen geometrieabhängigen Größen in Finite-Elemente-Analysen bestimmt.

Es wurde ein Vorschlag erarbeitet und auf seine Treffsicherheit untersucht, wie geometrieabhängige Eingabegrößen, wie die hochbeanspruchte Oberfläche, der bezogene Spannungsgradient und die plastische Traglastformzahl bei nichtproportionaler Betriebsbelastung zu bestimmen sind.

Die Datenbank wurde verwendet, um die Treffsicherheit der erarbeiteten Algorithmen aufzuzeigen und Sicherheitskonzepte abzuleiten.

Anhand der zusammengetragenen Datenbank und der selbst erzeugten Versuchsergebnisse wurde die Treffsicherheit der erarbeiteten Algorithmen untersucht.

Die Treffsicherheiten der Algorithmen wurde sowohl unter Verwendung von experimentell ermittelten Materialparametern als auch von abgeschätzten Materialparametern gezeigt. Beide Algorithmen können experimentelle Lebensdauern aus Versuchen unter nichtproportionaler Belastung mit der gleichen Treffsicherheit vorhersagen wie Lebensdauern unter einachsigen oder proportionalen Belastungen. Ein Vergleich der beiden Algorithmen zeigt eine bessere Treffsicherheit, heißt geringere Streuung des Algorithmus mit mehrachsiger Kerbdehnungssimulation. Dies wird jedoch mit einem deutlich erhöhten numerischen Aufwand erkauft.

Für beide Algorithmen wurden Sicherheitsfaktoren angegeben, die die abgesicherte Auslegung von Bauteilen ermöglichen. Die Ziele des Forschungsprojekts wurden erreicht.

Der Schlussbericht ist auch über FKM e.V. zu beziehen.

 

Das IGF-Vorhaben (20613 N) des Forschungskuratorium Maschinenbau e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Kontakt: Alexander Linn, M.Sc.

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